Es ist paradox: Je mehr Nahrungsmittelkalorien die Schweiz selber produziert, desto abhängiger wird sie vom Ausland. Der Selbstversorgungsgrad ist ein Trugbild mit politischer Agenda.
Der Schweizer Bauernstand geniesst landläufig ein ausgezeichnetes Ansehen. Das zeigt sich nicht zuletzt an der Urne. Bei Volksabstimmungen darf sich der Bauernverband oft freuen, etwa bei den Pestizid-Initiativen oder bei der Massentierhaltungsinitiative. Und über Klimaaktivisten, die sich an Stalltüren festkleben, hat man auch noch nicht viel gelesen.
Dabei entspricht die Schweizer Landwirtschaft schon lange nicht mehr dem Heidi-Idyll, das uns so sehr ans Herz gewachsen ist. Einen Hauch ökologischer ist die Agrarpolitik jüngst zwar geworden. Doch wegen der vielen Subventionen im System arbeitet die Schweizer Landwirtschaft grundsätzlich kapital-, energie- und maschinenintensiv. Das hat Folgen. Jenseits der Diskussionen um Pestizide und Massentierhaltung hat etwa der Einsatz schwerer Maschinen zu einer verbreiteten Bodenverdichtung geführt. Es sei anzunehmen, schreibt der Bundesrat in einer Antwort auf einen Vorstoss aus dem Parlament, dass die Verdichtung landwirtschaftlich genutzter Böden zunehmend zum Problem werde. Diese Annahme ist plausibel, denn die Maschinen werden tendenziell immer schwerer, zumal die Subventionen zuverlässig fliessen.
Zur Umweltbilanz der Schweizer Landwirtschaft gäbe es Bände zu schreiben, denn diese Rechnung hat ungezählte und für die Bevölkerung, die die Landwirtschaft mit ihren Steuern finanziert, nur schwer durchschaubare Variablen. Ob die Bevölkerung weiss, was genau es etwa mit «Nährstoffverlusten» auf sich hat, darf bezweifelt werden. Immerhin lässt sich zusammenfassend und etwas simplifiziert sagen, dass die Schweizer Landwirtschaft bis heute kein einziges der 13 Umweltziele erreicht hat, welche ihr der Bund im Jahr 2008 – notabene auf der Grundlage geltenden Rechts – gesteckt hatte. Erreicht wurden lediglich einige Teilziele.
Eine intensive Landwirtschaft wie die schweizerische ist überdies stark von importierten Vorleistungen abhängig. Der Begriff «Selbstversorgungsgrad» ist vor diesem Hintergrund eine Hohlformel, die vorab protektionistischen Zwecken und der offenkundig sehr erfolgreichen Selbstvermarktung der Agrarbranche dient. In vielen Bereichen hängt die Schweizer Landwirtschaft am Import-Tropf: bei Energie, Maschinen und Kraftfutter ebenso wie bei Saatgut, Tierarzneien, Geräten, Pflanzenschutzmitteln oder Küken. Intensiviert die Schweiz diese Art von Landwirtschaft, wachsen damit automatisch auch die Abhängigkeit von Hilfsmittelimporten und vor allem der Druck auf die ohnehin schon strapazierten einheimischen Ressourcen.
Wer Versorgungssicherheit anstrebt, setzt deshalb nicht auf planwirtschaftliche Selbstversorgungsziele, die primär dazu dienen, die einheimische Landwirtschaft zu schützen und die obendrein ökologisch fragwürdig sind. Wer Versorgungssicherheit will, setzt auf solide Aussenhandelsbeziehungen. Nichts spricht dagegen, dass internationale Arbeitsteilung nicht auch in der Lebensmittelproduktion sinnvoll und effizient ist, auch im ökologischen Sinne. Das sollten insbesondere jene Politiker wissen, die sich selber gerne liberal heissen.
Sommerlicher Ausflug ins Unterengadin (bei Schuls).