Wer Subventionen sät, wird keine Dankbarkeit, sondern wachsende Ansprüche ernten. Der vermeintlich starke Wohlfahrtsstaat ist ein ewig Getriebener, der durch immer mehr einklagbare Rechte ausblutet. Deshalb darf er nicht weiter ausgebaut werden.
Der Sozialstaat ist im Prinzip eine gute Idee. In einer Demokratie drückt er den Willen der Mehrheit einer Gesellschaft aus, die Bedürftigen nicht einfach ihrem Schicksal zu überlassen. Darauf darf man stolz sein.
Doch wie alles Menschliche ist auch der Sozialstaat alles andere als perfekt . Er leidet insbesondere am Wohlstand. Das ist auf den ersten Blick paradox. Denn man könnte annehmen, dass Wohlstand und Wachstum die Bedürftigkeit reduzieren, vor allem dann, wenn auf dem Arbeitsmarkt Fachkräftemangel herrscht und die Gesellschaft so viel Geld wie nie zuvor in die Bildung investiert. Doch die jüngere Vergangenheit lehrt uns das Gegenteil. In der Schweiz haben sich die Ausgaben für die soziale Wohlfahrt seit 1990 real verfünffacht.
Das ist nur mit der Eigendynamik des Umverteilungsstaats zu erklären. Je mehr die Steuern und Abgaben «sprudeln», desto üppiger gedeihen die Ideen, wen der Staat auch noch beglücken könnte. Sei es der Vaterschaftsurlaub, sei es die Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose, sei es die schier grenzenlose Förderung der ausserhäuslichen Kindererziehung, die Aufstockung der Altersrente oder seien es die Phantasien über einen Menstruationsurlaub – der Sozialstaat kümmert sich schon lange nicht mehr nur um die Armen und Kranken. Er ist mittlerweile so monströs geworden, dass es für weite Teile der Bevölkerung bis tief ins akademische Milieu hinein normal geworden ist, Sozialleistungen zu beziehen.
Im modernen Sozial- und Umverteilungsstaat gehe es mittlerweile zu wie in einem Selbstbedienungsladen, heisst es zuweilen von jenen, die mit Sorge auf diese Entwicklung schauen. Doch dieses Bild ist falsch. Denn anders als der Staat muss ein Selbstbedienungsladen rentieren. Deshalb gibt es beim Ausgang eine Kasse, und wer für seinen Warenkorb nicht zahlt, bekommt Ärger. Im Sozialstaat hingegen steht die Kasse ganz woanders. Hier zahlen "die anderen" die Rechnung, und wer diese anderen sind, kann einem egal sein.
So ist es nicht verwunderlich, dass sich die Stimmbevölkerung die 13. AHV-Rente gegönnt hat. Warum sollte man sich zurückhalten, wenn man etwas geschenkt kriegt? Über die Finanzierung spricht man nicht; einem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul. Jahrzehntelang wurde die Bevölkerung von selbsternannten Sozialpolitikern darauf konditioniert, den Staat und seine Kassen als Beute zu betrachten. Das hinterlässt Spuren.
Es verhält sich mit Sozialleistungen genauso wie mit allen anderen staatlichen Fördergeldern: Wer Subventionen sät, wird nicht Dankbarkeit, sondern neue Ansprüche ernten. Jede Subvention ist eine Hypothek für die, die nach uns kommen. Erst wenn die politische Führung stark und vor allem willens genug ist, um das zu begreifen und zu verinnerlichen, darf man im Umverteilungsstaat auf Besserung hoffen. Und das kann dauern, solange die Steuern – dank Wachstum und Steuererhöhungen – «sprudeln».